Es war noch etwas hin bis zum Konzert. Der Mann mit dem zum Zopf gebundenen Haar zog am Register der Orgel, drückte Knöpfe und setzte manchmal ein verständiges, manchmal ein stutziges Gesicht auf. Der Mann mit dem zum Zopf gebundenen Haar ist Kirchenkantor der Dresdener Frauenkirche. Ein Gast, den man nicht alle Tage bei sich hat. Am Sonntagabend kamen wohl um die 130 Gäste bei freiem Eintritt in die Kirche St. Kilian, um Matthias Grünert zu erleben.
Wer hätte das gedacht: Wie die Bad Staffelsteiner Orgel beschaffen ist, wurde Grünert schon im Vorfeld mitgeteilt. Das Manual fürs Rückpositiv, das Manual fürs Hauptwerk, das Manual fürs Schwellwerk - alles Dinge, die man besser nicht erst kurz vor knapp erfährt. Erst recht, wenn man auf Tournee ist.
Fränkische Verbindungen: „OrgelFahrt“ endet in Bad Staffelstein
Die Tournee von Matthias Grünert hieß „OrgelFahrt“, hatte mit Albert Weiler einen Bundestagsabgeordneten als Schirmherren und fand in Bad Staffelstein seinen Abschluss. Doch warum? Der Dresdner Grünert ist gebürtiger Nürnberger, hat wertvolle Zeit im Fränkischen verbracht, in Bayreuth zum Beispiel, wo er auch an der Hochschule für Kirchenmusik studierte. Deshalb lag auch Bad Staffelstein auf dem Weg einer dreitägigen fränkischen Orgeltour.
Buxtehude, Händel, Mendelssohn Bartholdy und Bach. Letzterer als Sonntagsprogrammpunkt sogar doppelt vertreten, durch Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach. Schon bei der Herfahrt am Freitag, so Grünert, habe er dazu die Klangfarben der Register geprüft. Doch für das, was sich unterhalb der drei Manuale der Orgel abspielte, hatte Grünert besonderes Schuhwerk dabei. „Absatz und leichte Ledersohle zum Anschlagen - im Prinzip sind's Tanzschuhe“, erklärt er lächelnd. Dann ein letzter Check der Register, der Frauenkirchenkantor hatte zu tun. Die lyrischen Momente einer Komposition beherrscht Grünert ebenso wie das Stakkato. Nur einmal sollte es zu einem ratlos wirkenden Achselzucken kommen: vor Händels Largo. Es war eines jener Achselzucken, die einem sagen wollen, man sollte es auf einen Versuch ankommen lassen. So zog und drückte und spielte Grünert, und langsam setzte ein sich selbst bestätigendes Kopfnicken ein. Das Largo gelang, alle Klangfarben waren dort, wo sie sein sollten.
Dann hatte der Mann mit Lehrauftrag für Orgel an der Hochschule für Kirchenmusik in Dresden, der zudem Preisträger verschiedener Orgelwettbewerbe ist, sein Pensum erfüllt. Ob er sich unterm Spielen schon mal beim Notenumblättern verblättert hat? „Jaaa“, gesteht er lachend, klärt aber auf: „Da gibt's Schlimmeres. Hab' das Stück ja in den Fingern und im Kopf.“
Was sich der Orgel der Kilianskirche an Stärken zugute halten lässt, verknappte Grünert auf einen Begriff: Vielseitigkeit. „Es ist ein Universalinstrument, auf dem sich Bach ebenso spielen lässt wie deutsch-französische Romantik.“
Applaus erhielt der Dresdener jede Menge. Das Publikum erhob sich von den Sitzen und blickte zu Grünert hinauf, der sich an der Brüstung der Orgel zeigte. „Ich wünsche Ihnen einen behüteten Abend“, entbot der Künstler. Dann wechselte er das Schuhwerk, vom beruflichen Tanzschuh zum Freizeitschuh. Ein Tänzer, so der Mann gegenüber unserer Redaktion, sei er trotz seiner Schuhe nicht.
Quelle: Obermain Tageblatt, Markus Häggberg